Hausbesichtigung
Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht doch ein Makel findet
Die Vorgeschichte:
Gertrud und Kurt wollten sich ein Eigenheim zulegen. Da er der Mann im Haus ist und Gertrud ihm auch erlaubt hat, das zu sagen, hat er sich in Eigenregie um alles gekümmert. Sie hat sich dafür – wie es sich gehört – um sein leibliches Wohl (viel leibliches Wohl! Schließlich müssen 98 Kilo bei 1,74 Metern versorgt werden) gekümmert, den gesamten Haushalt geschmissen (sie fragt sich jedes Mal, wohin denn bloß?), den Einkauf (viel Einkauf!) gestemmt und sich mit dem sechsjährigen Enkelchen Kevin-Napoleon beschäftigt, der in den Ferien bei ihnen wohnte.
Drei Wochen später ist es dann soweit
Neugierig steigt Gertrud um 9 Uhr morgens aus dem Wagen (Kurt musste noch was gaaanz Wichtiges erledigen, später wird ihr auch klar, warum) und zuckt kurz darauf zusammen, weil eine Kirchenglocke mit einer derartigen Wucht losklöppelt, dass ihr in den bald aspirin-bedürftigen Kopf kommt, jemand müsse zu Grabe getragen werden, dem beide Trommelfelle gleichzeitig geplatzt sind. Begleitet werden die militärischen Dezibel vom hysterischen Kläffen eines Hundes aus dem Nachbargarten, das sich selbst überschlägt und einem Bello Mortale gleicht.
Mit gepressten Händen auf den überforderten Ohren flüchtet sie durch den Garten (der scheinbar noch nie einen Rasenmäher oder Wasser zu Gesicht bekommen hat) ins Haus und muss erstmal den Lichtschalter finden, weil es stockduster ist. Da werden wohl alle Rollläden runtergelassen sein. Gutes Argument, Gertrud, aber: Pustekuchen (ohne Sahne, das gäbe sonst eine Riesensauerei). Nur die Gästetoilette erstrahlt im Sonnenlicht, der Rest der Zimmer hat den Charakter einer Geisterbahn – nur ohne Geister und ohne Bahn.
Nun tastet sie im Flur nach den Umzugskisten, die Kurt dort gestapelt hat und versucht zu erkennen, was draufsteht. Als sie die Richtige endlich gefunden hat, hievt sie diese hoch (sind da Ritterrüstungen drin?) und schlappt ächzend zum Schlafzimmer.
„Das darf doch alles nicht wahr sein!“ flucht Gertrud, als sie hineinkommt.
Hineinkommen will. Sie nimmt den Karton auf den Rücken und schlängelt sich durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Bett (als eingefleischte Vegetarierin und Yogaratte gibt sie dieser Bewegung spontan den Namen „der vegane Huckepack-Drehwurm“), stößt sich dabei den kleinen Zeh („der vegane Humpel-Huckepack-Drehwurm“) und schafft es irgendwie zum Schrank. Nachdem sie den Ballast rückwärts aufs Bett hat plumpsen lassen, öffnet sie die Schranktür, kommt aber nur 37 Grad weit, dann stößt diese gegen die Kommode. Resigniert zwängt sie sich wieder zurück, begibt sich zum Wohnzimmer und da fällt ihr echt die Kinnlade runter (die sie später natürlich ordentlich wieder aufheben wird):
Sie kommt sich vor wie ein Floh in einer Lagerhalle für AIDA-Kreuzfahrtschiffe.
Der Raum ist bestimmt um die 60 Quadratmeter groß, aber da ihr altes Wohnzimmer 22,97 Quadratmeter misst, wirken die Möbel sehr verloren. Das macht die Art der Einrichtung, die Kurt gewählt hat, auch nicht wett: An einer Wand steht die Couch mit dem Fernseher davor, an der anderen die Vitrine, an der dritten das Bücherregal und an der vierten der Esstisch. In der Mitte hingegen könnte locker ein Fußballmatch stattfinden.
Wir wollen das Dilemma, in dem Gertrud sich befindet, nicht weiter vertiefen. Nur so viel: In den übrigen Räumen hat sie ebenfalls so einige Kuriositäten entdeckt: In der Küche hängt zum Beispiel alter Zigarettenmief, an der Wanne hat sie Schimmel entdeckt, die Terassentür quietscht und klemmt und so weiter und sofort. Außerdem hat sie ihren ersten Halbmarathon hinter sich (nur auf die Entfernung bezogen, nicht auf die Schnelligkeit – Gudrun ist so sportlich wie eine Schaufensterpuppe). Sie hat sich mit Kevin-Napoleon auf Entdeckungstour begeben; musste feststellen, dass Supermarkt und Spielplatz so einfach zu erreichen sind wie der Eiffelturm in Berlin und deshalb zwei Stunden einen nörgeligen Trotzkopf ertragen. Der sich netterweise noch ein, zwei ausgewachsene Tobsuchtsanfälle leistete, die laut der Schwiegertochter zu einer gesunden Entwicklung eines Kindes einfach dazu gehören MÜSSEN; wie soll es denn sonst lernen, seine Grenzen abzustecken? Hm?
Die Frage ist: Was hat sich Kurt bloß dabei gedacht?
Er zuckt nur mit den Achseln, als Gertrud ihn das so erbost fragt, dass man förmlich die Wut aus ihren Nasenlöchern schnauben sieht – abgesehen von der Zornesfalte auf ihrer Stirn, die an einen Tiefseegraben erinnert. „Da war so ein Bauchgefühl, dass das UNSER Haus ist, Liebes …“
Sie kennt sein „Bauchgefühl“ schon aus verschiedenen Situationen in ihrer Ehe: die Affäre mit der Sekretärin, die für ein Motorrad verkaufte Familienkutsche; das zu Hause alleingelassene Enkelkind wegen der Live-Übertragung des WM-Endspiels 2014, während sie – wie vereinbart – einen Lady-Abend hatte und, und, und … Deshalb hört sie jetzt mal auf ihr Bauchgefühl und packt auf immer und ewig ihre sieben Sachen.
Und wird in einem Haus wohnen, bei dem alles stimmt, weil sie folgende Tipps beherzigt hat:
- Bereits vor der Hausbesichtigung ist sie durch die Umgebung spaziert (ohne Enkelchen) und hat darauf geachtet, dass
- Zudem hat sie sich ebenfalls vorab wichtige Fragen sowohl an sich als auch an den Verkäufer notiert:
Zu guter Letzt hat sie ZUSÄTZLICH (so funktioniert das nämlich, mein „lieber“ Kurt: gut präparieren UND auf die Intuition hören) auf ihr Bauchgefühl geachtet. Bei einem Objekt zum Beispiel schien alles makellos und absolut passend zu sein. Aber dann hat sich ein diffuser Zweifel eingestellt und es fühlte sich nicht mehr zu 100 Prozent stimmig an.
Also hat sie hier – wie auch in den anderen Häusern – alles nochmal in Ruhe auf sich wirken lassen und bewusst wahrgenommen. Dabei hat sie gemerkt, dass sie sich während der Besichtigung gar nicht wie sonst gedanklich eingerichtet hat und schon war klar: Hier bekommen sie keine zehn Pferde rein. Selbst zwanzig würden nicht helfen.
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Worauf warten Sie noch? Mit nur einem Anruf kommt der Stein ins Rollen …
Geschrieben von Susanne Purol